Wer nur den lieben Gott lässt walten
EG 369 / Freitöne 46 / GEMK 367 / RG 681 / GL 424 / KG 541 / GEB 929
Man schreibt das Jahr 1640. In Deutschland wütet seit mehr als zwei Jahrzehnten der Krieg der Konfessionen. Ganze Landstriche sind verwüstet. Der junge Georg Neumark, geboren 1621 in Langensalza in Thüringen bricht nach dem Abschluss am Gymnasium in Gotha nach Leipzig und weiter nach Magdeburg auf, um dann zum Studium der Rechtswissenschaften ins weit entfernte Königsberg zu gelangen. Doch bereits in der Nähe von Gardelegen in der Altmark wird er mit einigen Freunden in der offenen Heidelandschaft überfallen und ausgeraubt. Es bleibt ihm nur Gebetbuch, Stammbuch und nur wenig gut verstecktes Geld. In Magdeburg findet er keine Anstellung, ausgestattet mit einem Empfehlungsbrief aber auch in Winsen nicht. In Hamburg kommt er bei dem Theologen Dr. Johann Müller unter, kann einen Schäferroman verlegen lassen, findet aber weiterhin keine Anstellung. So reist er weiter nach Kiel, wo er über dem kalten Winterwetter trübsinnig wird, und Gott anfleht, ihm doch endlich aus seiner Mittellosigkeit zu helfen. Das flehende Gebet wurde erhört, er erhielt eine Stelle als Hauslehrer beim Amtmann Stephan Henning. So schrieb er aus Dankbarkeit im Jänner 1641 das Lied „Wer nur den lieben Gott lässt walten“.
Zwei Jahre später konnte er dann sein Studium in Königsberg aufnehmen, kehrte später nach Thüringen zurück und wurde Bibliothekar, Archivsekretär und Hofpoet des Herzogs von Wilhelm IV. von Sachsen-Weimar; auch als Gambenspieler war er bekannt. Er starb in Weimar im Jahr 1681.
Die ursprünglichen sieben Strophen des Liedes sind in den evangelischen Gesangbüchern meistens vollständig mit nur leichten Textaktualisierungen enthalten. Sie spiegeln die Erfahrungen Neumarks wider und greifen Gedanken aus der Bergpredigt und aus dem Magnifikat auf. Das Lied ermutigt dazu, auch in schwierigen Situationen auf Gott zu vertrauen.
Johann Sebastian Bach hat 1724 dem Lied die Choralkantate BWV 93 gewidmet, das Lied erscheint in weiteren sechs Kantaten. Bach hat den Text dabei teilweise an die jeweilige Situation der Aufführung angepasst. Dazu kamen von ihm verschiedene Bearbeitungen für Orgel und Cembalo.
Eine weitere Vertonung stammt von Felix-Mendelssohn Bartholdy, verwendet wurde das Lied auch im Deutschen Requiem von Johannes Brahms, im Klavierquintett in Es-Dur von Robert Schumann und im Streichquartett in g-Moll von Emilie Mayer. Moderne Orgelbearbeitungen sind etwa Passacaglia, koraal en fuga over gezang 17 vom niederländischen Komponisten Cornelis de Wolf aus dem Jahr 1928 und die Neumark Dances der amerikanischen Komponistin Lisa Bielawa aus dem Jahr 2013. Im deutschen Kinofilm Vaya con Dios aus dem Jahr 2002 wird das Lied in einem Gottesdienst gesungen, dazu wurde vom deutschen Kirchenmusiker Tobias Gravenhorst, der auch im Film mitspielt, ein dreistimmiger Satz für drei Mönche a capella geschrieben.
Der im Liederbuch Freitöne unter der Nummer 46 abgedruckte Satz stammt aus der Bach-Kantate Gott ist unsre Zuversicht BWV 197, die anlässlich einer Hochzeit 1736/37geschrieben wurde. Der Chorsatz im Gesangbuch der Evangelisch-methodistischen Kirche (Nr. 367) hält sich möglichst genau an den originalen Generalbass von Neumark.
(Andreas Raschke)
Auf unserer Material-Seite unter „Noten“ – „Monatslieder“ gibt es die Noten des Chorsatzes: